Mehr Verbundenheit in Beziehungen: Was ist eine der wichtigsten Gewohnheiten für sicherere, zufriedenere und glücklichere Beziehungen?
- Anna Baubin
- 3. Sept.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Sept.
Nein, es sind nicht wöchentliche Date-Nights oder möglichst viel gemeinsam verbrachte Zeit oder ellenlange Liebesbriefe oder identische Bindungsstile oder zu wissen, was die Beziehungsperson für eine Liebessprache hat.
Diese Dinge sind gut und können die Beziehungsqualität verbessern. Doch es gibt einen viel wichtigeren Aspekt, den ich euch heute hier näherbringen möchte, der echt hilft, Verbundenheit und Zufriedenheit in jede Beziehung zu bringen.
Und das bei allen Arten von Beziehungen. Ob Eltern zu deren Kindern, romantische, freund:innenschaftliche oder wohngemeinschaftliche Beziehungen. Alle Beziehungen funktionieren sehr ähnlich, und es liegt an uns, uns um die Verbundenheit in all unseren Beziehungen zu kümmern.
Regelmässige Sessions bei einer Beziehungsberatung können natürlich den Aufbau von Sicherheit und Zufriedenheit unterstützen.
Vor allem, wenn das, was ich in diesem Beitrag beschreibe, im DIY-Beziehungsprojekt keine nachhaltigen Früchte trägt, dann ist es empfehlenswert, mit einer unparteiischen, professionellen Person zu erforschen, welche Dynamiken hier im Weg herumlungern.
Wenn die Begeisterung schwindet und der Alltag einzieht
Am Anfang jeder Beziehung, wenn das Interesse am Neuen noch gross und eine Verliebtheit noch frisch ist, dann hängen wir je nach Art der Beziehung buchstäblich an den Lippen der anderen Person.
Wir interessieren uns für alles, was gesagt und erzählt wird. Wir können kaum genug bekommen von all dem, was die andere Person ausmacht, mögen die Einzelheiten noch so trivial sein.
Neugeborene sind fesselnd, obwohl nicht wirklich viel passiert.
Die neue mitbewohnende Person ist kurz nach dem Einzug besonders im Fokus.
Jedes Wiedersehen, jede Berührung ist neu und aufregend. Wir müssen uns in keinster Weise anstrengen, um aufmerksam, um einfach da zu sein.
Doch, dieses aufeinander Bezogen-Sein nimmt im Laufe der Zeit natürlicherweise ab.
Ganz normal in Beziehungen, die über mehrere Jahre andauern. Und ein Streben nach Nachhaltigkeit ist bei jeglicher Form von Beziehung, wie ich finde, ein wichtiger und erstrebenswerter Aspekt. Danke, Maiko, an dieser Stelle für die Knüpfung dieses Zusammenhangs.
Mit dem Blick darauf, wie die meisten romantischen Liebesbeziehungen gelebt werden, kann gesagt werden, dass vor allem bei jenen, die einen Haushalt gemeinsam teilen, die gemeinsam verbrachte Zeit an Bindungsqualität verliert.
Das ist per se auch kein Problem. Es ist ja auch ein wenig naiv zu erwarten, dass das anfängliche Interesse für immer und ewig einfach so erhalten bleibt.
Es ist ok, wenn die anfängliche Bezogenheit irgendwann nachlässt.
Solange im Alltag die Momente des echten Kontaktes nicht komplett verloren gehen (was sie eben manchmal leider doch tun).
3 Arten der Beziehungszeit
Gehen wir mal davon aus, es gibt 3 unterschiedliche Arten von Beziehungszeit.
A: Jene, in der wir physisch zusammen sind, uns jedoch nicht miteinander beschäftigen.
B: Jene, die wir gemeinsam im gleichen Raum verbringen und miteinander oberflächlich interagieren.
C: Jene, in der wir in echtem Kontakt miteinander sind.
Hier mal die Einladung, zu überlegen, wie viel von welcher Zeit in welcher Deiner Beziehungen stattfindet.
Und dann stellt sich natürlich auch immer die Frage, ob das Deinen Wünschen dieser Beziehung entspricht.
Ja? Wunderbar.
Nein? Na, dann lass uns schaun, wie wieder mehr Kontakt hergestellt werden kann.
Keine Sorge, es geht hier jetzt nicht darum, ewig lange Gespräche in den eh schon stressigen Alltag einbauen zu müssen.
Solltet ihr allerdings genug Zeit haben, dann kann ich die (von mir) sogenannten «ShareDates» nur wärmstens empfehlen, in denen wirklich tief in Kontakt gegangen werden kann.
Einen eigenen Beitrag, wie ich diese ShareDates mache, werde ich bald mal schreiben. Bis dahin verweise ich gerne auf Multiamory und deren RADAR Gespräch.
Echter Kontakt in Mikro-Momenten
In jedem Alltag - und ist er noch so voll - bieten sich Momente, in denen miteinander in Kontakt gegangen werden kann.
Und nein, damit meine ich nicht die Absprache, was es heute Abend zu essen gibt. Auch nicht das gemeinsame Serien-Schauen oder die Organisation von Haushaltsthemen.
Sondern jene Augenblicke, in denen die Beziehungspersonen etwas von sich selbst preisgeben. Sagen, wie es ihnen geht. Erzählen, was sie Bemerkenswertes am Tag erlebt haben. Was sie herausgefordert, was sie berührt hat.
Auch jene Momente, die je nach Beziehung ganz ohne Worte auskommen. Die Umarmung zur Verabschiedung, die eine Sekunde länger dauert, als gewöhnlich. Der Kuss beim Wiedersehen, der nicht flüchtig und automatisiert passiert, sondern bewusst gemeinsam erlebt wird. Das gemeinsame Sitzen in Stille, ohne Handys in den Händen.
All diese Momente zahlen auf das Konto der Beziehungszeit C ein. Und sie stärken und vertiefen das aufeinander Bezogen-Sein der Beziehungspersonen und das wiederum die Beziehungsqualität.
Die Wichtigkeit von Kontaktangeboten für mehr Verbundenheit in Beziehungen
Das Gottman Institut hat nach jahrzehntelanger Forschung einen Faktor als zentral herausgestellt, der für nachhaltige Beziehungen ausschlaggebend ist: Wie häufig Kontaktangebote stattfinden und wie darauf von den Beziehungspersonen reagiert wird.
Sie forschen und sprechen von romantischen Liebesbeziehungen. Doch dieser Aspekt lässt sich auf alle Beziehungsformen anwenden.
Es sind jene kleinen Momente, in denen eine Beziehungsperson versucht, mit der anderen Kontakt herzustellen. Das kann verbal und nonverbal geschehen.
Es gibt 3 Arten, auf diese Kontaktangebote zu reagieren.
Annehmen.
Ignorieren.
Ablehnem.
Es ist keine Rocket Science zu erkennen, was die drei unterschiedlichen Arten mit der Beziehung machen.
Nur die oberste wirkt sich tatsächlich positiv auf die Beziehungsqualität aus, denn es entsteht ein Moment des echten Kontaktes, und das stärkt Intimität, Verbundenheit und Sicherheit.
Werden sie ignoriert, bleibt die initiierende Person im Regen stehen und fühlt sich bewusst oder unbewusst abgewiesen. Passiert das regelmässig, führt das meist zu Rückzug.
Abgelehnt heisst in diesem Kontext, dass negativ auf das Kontaktangebot reagiert wird, was sich meist in einer genervten Reaktion oder - noch schlimmer - in einem lustig Machen oder Abwerten darüber zeigt.
Soweit, so einleuchtend, doch in der Besprechung irgendwie häufig nicht zu Ende gedacht.
Was es zu berücksichtigen gilt
Bevor ihr euch jetzt locker flockig auf den Weg macht und beginnt, euren Beziehungspersonen aus dem Nichts Kontaktangebote zu machen und bei Nicht-Annehmen enttäuscht seid, möchte ich euch noch einen ganz wichtigen Faktor mitgeben:
Beziehungspersonen stehen nicht jederzeit und immer in gleicher Weise zur Verfügung, nur weil ihr gerade gerne in Kontakt treten würdet.
Sprecht mit euren Beziehungspersonen über diesen Artikel, gebt ihn ihr zum Lesen und tauscht euch darüber aus.
Mein Tipp:
Es ist total ok, wenn nicht jedes Beziehungsangebot jetzt gerade in dem gewünschten Ausmass angenommen und erfüllt wird.
Was langfristig den Unterschied macht:
Gewöhnt es euch an, die Kontaktangebote wahrzunehmen und darauf zu reagieren. ABER: Bleibt bei euch, und wenn es gerade nicht passt, dann kommuniziert das ehrlich, ohne es im Sand verlaufen zu lassen.
Wenn nicht jetzt, dann WANN?
Seid konkret darin.
«Ich bin gerade noch mit etwas anderem beschäftigt und möchte das fertig machen. Ich sehe Dein Kontaktangebot und komme auf Dich zu, wenn ich hiermit fertig bin. Ist das in Ordnung für Dich?»
«Gerade jetzt organisiere ich gerade etwas anderes, das braucht meine ganze Aufmerksamkeit. Aber ich nehme Dein Angebot wahr. Lass uns heute nach dem Abendessen über das Thema sprechen. Passt Dir das?»
«Jetzt kann ich gerade nicht, aber ich habe Dich gehört, dass Du mit mir über xy sprechen willst. Ich komme so in einer halben Stunde auf Dich zu, dann können wir das besprechen. Ok?»
Auch in solchen kurzen Momenten findet schon echter Kontakt miteinander statt und führt zu mehr Verbundenheit in Beziehungen.
Solange nicht...
...eingeschnappt oder andersartig trotzig reagiert wird.
Bist Du enttäuscht, weil Deine Beziehungsperson gerade nicht Feuer und Flamme ist, Deine neuesten News über Krypto zu hören?
Dann übernimm Verantwortung dafür und erkunde erst einmal mit Dir selbst, welchen emotionalen Trigger das gerade angepiekst hat.
Fühlst Du Dich zurückgewiesen, weil auf Deine Nachricht nun schon seit 3 Tagen nicht geantwortet wurde?
Dann übernimm Verantwortung dafür und frage Dich, ob das vielleicht etwas mit Deiner Geschichte zu tun hat und wie Du Dich in dieser Situation entspannen kannst.
Denn Deine Beziehungsperson muss auch nicht immer und zu jeder Zeit verfügbar sein. Diese Erwartungshaltung führt unweigerlich zu Enttäuschung und Problemen. Gerne verweise ich hier auf einen Blogartikel über die Lebensdimension Zeit in Beziehungen, in dem ich auch auf das Thema der Verfügbarkeit eingehe.
Spreche Deine Enttäuschung später ruhig an. In einem Moment, in dem beide wirklich da sind. Es ist total ok, enttäuscht zu sein. Nur mache nicht Deine Beziehungsperson für Dein Gefühl verantwortlich.
Denn nicht nur das Ignorieren oder Ablehnen von Kontaktangeboten führt mehr und mehr zu weniger Bindungsqualität in Beziehungen.
Auch negative Reaktionen auf eine ehrliche Antwort auf ein Kontaktangebot können die Sicherheit und Bindung zwischen den Beziehungspersonen negativ beeinflussen.
Also gehet und verbindet euch.
Achtsam, frei und friedvoll.
Und sollte das einfacher gesagt sein, als getan, dann seid ihr damit nicht alleine. Lasst uns gemeinsam in einem sicheren Raum in meiner Praxis euren individuellen Gründen auf den Grund gehen, was euch dabei im Wege steht.
Von Herzen

Praxis der inklusiven, systemischen Beziehungsberatung für Einzelpersonen und Paare*
Anna Baubin | Psychologische Beraterin in Zürich
*Paar, Substantiv, (n)- zwei durch eine (wie auch immer geartete) Beziehung miteinander verbundene Menschen.



